Drei Fragen an Linda Nierling

Warum ist Ihre Forschung für die Zukunft relevant?

Meine Forschung zur digitalen Transformation im Feld der Technikfolgenaschätzung (TA) ist problemorientiert und an der Schnittstelle zur Gesellschaft ausgerichtet. Digitale Technologien werden auch künftig wesentliche Auswirkungen auf individuelle, organisatorische und gesellschaftliche Prozesse haben. Hier transdisziplinäre Ansätze weiter zu entwickeln, um in komplexen sozio-digitalen Settings normative Gestaltungsoptionen zu erarbeiten, erscheint mir gerade mit Blick auf Entwicklungen im Feld der künstlichen Intelligenz zentral.

Welche Forschungsfrage muss interdisziplinär gelöst werden?

Derzeit arbeiten wir gemeinsam mit dem IAR und dem ECON im Projekt „Reallabor Robotische KI“ daran, in welcher Weise humanoide Roboter in unterschiedlichen Nutzungskontexten in Karlsruhe eingesetzt werden können. Durch die enge Schnittstelle mit gesellschaftlichen Bedarfen entstehen in diesem Projekt zum einen (disziplinäre) Einzelfragen, z.B. für die Robotikentwicklung mit Blick auf Adaptivität, für die TA mit Blick auf die konkreten Bedarfe und Wünsche von Akteur:innen und Bürger:innen an humanoide Roboter und damit verbundene soziotechnische Visionen für die Gestaltung des Interaktionsdreiecks „Gesellschaft – Robotische KI - Nutzer:in“. Zum anderen zeigt sich, dass diese Fragen letztlich in der Gestaltung von KI – hier am Beispiel der humanoiden Roboter – letztlich ein interdisziplinäres Vorgehen erfordern, das gerade mit Blick auf die Nähe zu den gesellschaftliche Kontexten in eine transdisziplinäre Forschungsstrategie weiterentwickelt werden muss, um so komplexe und entwicklungsintensive KI-basierte Technologien mit gesellschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten zu verzahnen. Die Frage danach, was eine „Transdisziplinäre und damit partizipative KI“ ist und wie diese zu konzeptionieren und methodisch aufzusetzen ist, bedarf der interdisziplinären Exploration.

Was ist Ihre Lieblingsstrategie, um ein interdisziplinäres Projekt erfolgreich umzusetzen?

Interdisziplinäre Projekte erfordern ein geteiltes Problemverständnis, eine gemeinsame Sprache und ein abgestimmtes methodisches Vorgehen der unterschiedlichen Disziplinen. Diese drei Elemente je zu explizieren, um dann eine – am jeweiligen Forschungsgegenstand angepasst Arbeitsteilung zu definieren – sind zentral für interdisziplinäre Zusammenarbeit. Hinzu kommt, das, z.B. technische und sozialwissenschaftliche Forschungsinteressen eine unterschiedliche „Zeitlichkeit des Erkenntnisinteresses“ haben, so sind bspw. oft genuine Interessen technischer Forschung dann abgeschlossen, wenn gesellschaftliche Fragen beginnen. Hier kontinuierliche Iterationen und eine stärkere Verzahnung in interdisziplinären Projekten zu erreichen, erscheint mir ein zentraler Faktor  für „gelingende“ interdisziplinäre Forschung.

Gesprächspartnerin

Dr. Linda Nierling

Leitung der Forschungsgruppe „Digitale Technologien und gesellschaftlicher Wandel“ Technik­folgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Interdisziplinäre Werdegang mit einem Diplom in Umweltwissenschaften, Universität Lüneburg und einer Promotion in Soziologie, Goethe-Universität Frankfurt am Main. Forschungsaufenthalte an der Technischen Universität Luleå, Schweden sowie am IFZ Graz, Österreich. Politikberatung am Deutschen Bundestag und am Europäischen Parlament. Wissenschaftlicher Beirat am Institut für Mensch, Ethik, Wissenschaft, Berlin; Herausgebergremium der Zeitschrift TATuP; Wissenschaftlerin im MWK-Promotionskolleg KATE. Aktuelle Forschungsinteressen: Die Rolle von digitalen Technologien in sozialen Feldern: Digitale Arbeit, Assistive Technologien; Konzeptionelle Forschung im Feld der Technikfolgenabschätzung: Politics of TA, Normativität in der TA; Qualitative Forschungsmethoden: Experteninterviews, Narrative Interviews, Fallstudien