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Techniknostalgie

Beschreibung

Der Begriff Nostalgie setzt sich zusammen aus den griechischen Wörtern νόστος (Heimkehr) und άλγος (Schmerz) und bezeichnet in seiner ursprünglichen Verwendung eine krankhafte Form des Heimwehs. Zunächst handelt es sich bei dem nostalgischen Bezugspunkt demnach um einen Ort, zu dem zurückzukehren prinzipiell nicht ausgeschlossen ist. Im letzten Drittel des zwanzigsten Jahrhunderts wandelt sich jedoch die Bedeutung von Nostalgie immer mehr hin zu einem zeitlichen Verständnis: Heute bezeichnet der Begriff die Sehnsucht nach einer idealisierten bzw. verklärten vergangenen Zeit. Eine Rückkehr im engeren Sinne ist damit ausgeschlossen, weshalb für die moderne Nostalgie nach Svetlana Boym im Wesentlichen zwei modi operandi unterschieden werden können: Der Versuch, die Vergangenheit in der Gegenwart wiederherzustellen (restaurative Nostalgie) und der Versuch, die Vergangenheit über die Erinnerung – auf kollektiver oder persönlicher Ebene – präsent zu halten, ohne dadurch die Gegenwart auszuschließen (reflexive Nostalgie). Geschehen kann dies etwa durch die Simulation bestimmter mit dem nostalgischen Bezugspunkt verbundener Oberflächeneffekte – unter diesem Aspekt lässt sich die wachsende Zahl von „Retro“-Artikeln begreifen, die zwar technisch auf dem neuesten Stand sind, aber dennoch das Design alter Artefakte imitieren.

Besonders deutlich treten diese Nostalgisierungsprozesse im Bereich der Technik hervor: Am Phänomen der Techniknostalgie zeigt sich das Verhältnis von Zeit und Technik in verschiedenen, eng miteinander verbundenen Aspekten. Da Technik einen wichtigen Teil der menschlichen Lebenswelt bildet, bedeutet die Entwicklung von Technik in der Zeit und die Beschleunigung technischer Innovation gerade durch ihre Koppelung mit allgemeiner gesellschaftlicher Veränderung im Zuge der Modernisierung neben den Innovationsgewinnen immer auch einen lebensweltlichen Verlust an Vertrautheit und Orientierung, der erst durch eine Anpassungsleistung kompensiert werden muss. Techniknostalgie stellt daher eher ein Komplement als einen Gegensatz zu Innovation dar. Ihre Ausrichtung auf Vergangen-Gegenwärtiges federt die mit dem zunehmenden Innovationsdruck einhergehende Zukunftsorientierung gewissermaßen ab. Besonders relevant ist sie bei stark ‚sichtbaren’, auf Endnutzer bezogenen Technologien etwa im Bereich der Mobilität oder der Architektur. Aber auch technische Medien sind in hohem Maße betroffen: zum einen als Verbreitungsmechanismen von Techniknostalgie, zum anderen können sie selbst zu Objekten von Nostalgie werden, die sich auf die ihnen zugrunde liegenden Technologien richtet.

 

Beteiligte

Institut für Literaturwissenschaft - Prof. Dr. Andreas Böhn, Prof. Dr. Mathias Herweg
Institut für Geschichte (IfG) - PD Dr. Kurt Möser
Institut für Fahrzeugtechnik und Mobile Arbeitsmaschinen am KIT (IFFMA) - Dr. Thomas Meyer
Institut für Kunstgeschichte, Universität des Saarlandes - Prof. Dr. Henry Keazor

 

Ansprechpartner: Prof. Dr. Andreas Böhn

Laufzeit: 2011-2013