Home | english  | Impressum | Sitemap | KIT

Publizität und Popularisierung von Technikdiskursen. Populäre Technikfolgendiagnosen in seriellen Medien

Beschreibung

Serielle Medien produzieren aufgrund ihres Anspruchs, massenmedial verstärkte Resonanzen erzielen zu wollen, ein spezifisches, für die Selbstverständigungen in Kultur und Gesellschaft relevantes Wissen. Die von der Presseforschung für Zeitschriften festgehaltenen Kardinalkriterien Periodizität, Aktualität, Universalität und Publizität ermöglichen es seriellen Medien, auf je aktuelle Problemlagen schnell, themenoffen und für ein breites Publikum einsehbar zu reagieren. Sie tragen damit einen historischen Aktualitäts- bzw. Resonanzindex in sich, der sie für Kulturdiagnosen geeignet macht. Diese mediale Spezifik will das Projekt systematisch und historisch auf die Frage nach der Popularisierung und Reflexion von Technikwissen und Technikdiskursen, genauer auf resonanzstarke Muster von Technikfolgendiagnosen erforschen: in Literatur- und Kulturzeitschriften seit 1830 auf der einen, in Fernsehserien auf der anderen Seite.

Erste Forschungen erfolgten dazu im Rahmen der DFG-Forschergruppe 1091/1 Ästhetik und Praxis populärer Serialität an der Universität Göttingen im Teilprojekt 2 Formen und Verfahren der Serialität in der ARD-Reihe „Tatort“ (zusammen mit Prof. Dr. Claudia Stockinger; Laufzeit 3 Jahre, 1. Oktober 2010 bis 30. September 2013; http://www.popularseriality.de/projekte/ehemalige_projekte/formen-und-verfahren-der-serialitaet-in-der-ard-reihe-tatort/index.html). Das Teilprojekt der Forschergruppe zielte darauf ab, ein Analyseraster für die Serialitätsverfahren der Reihe zu erstellen und als Strategie der Distinktion zu systematisieren. Anhand dieses Rasters wird die Geschichte der Formen und Verfahren von Serialität sowohl innerhalb einer einzelnen Serie als auch innerhalb der Reihe im interseriellen Wechselspiel der Sendeanstalten dargestellt. Die diachronen und synchronen Untersuchungen der Krimireihe Tatort seit 1970 erlauben Aussagen über Bedingungen und Formen serieller Variation und werden nach diesen Gesichtspunkten auch auf die Reflexion von Technikwissen hin erforscht: u.a. auf den Einsatz neuer (oder eben alter) Technologie bei der Ermittlung, auf die Thematisierung von Technik in einzelnen Folgen, auf die Veränderungen des Lebensstils durch den Gebrauch von Technik usw. Das Wechselverhältnis von Technik und Kultur wird nach erkenntnisleitenden Fragen gerastert: Welche Technologien und welche Technologiedebatten werden im historischen Verlauf überhaupt serialisiert (und sind damit offenbar besonders virulent oder eben irrelevant, weil sie sich unproblematisch in den Alltag integrieren lassen)? Wie wird Technik im historischen Verlauf eingesetzt und bewertet? Gibt es in den letzten 40 Jahren Veränderungen im Umgang mit Technikfolgen? Ermittelt werden sollen damit historische wie möglicherweise generalisierbare Zuschreibungsmuster gegenüber Technik zwischen den Polen ‚Risiko / Bedrohung, Angst, Widerstand’ und ‚Erleichterung des Lebens / Akzeptanz oder gar Glücksversprechen’, angesiedelt in einem Spektrum zwischen tatsächlich realen Folgen oder bloß paranoiden Befürchtungen. Untersucht werden spezifische Muster der Gefahren und Versprechen, die der Technik zugeschrieben werden (gesundheitlich, sozial, gesellschaftlich, kulturell, technisch – zwischen Glauben an ihre Beherrschbarkeit und Angst vor dem Kontrollverlust). Erste Ergebnisse wurden soeben im Sammelband Technikreflexionen in Fernsehserien publiziert (http://www.ksp.kit.edu/9783731503361)

Als Anschlussforschung beginnt in der zweiten Laufzeit der DFG-Forschergruppe, die seit Oktober 2013 an der FU Berlin angesiedelt ist, die Untersuchung von Technikreflexionen in Literatur- und Kulturzeitschriften seit dem 19. Jahrhundert. Seit der Anfangsphase dieses Mediums um 1830 spielt gerade der Technikdiskurs in der entstehenden ‚zweiten Kultur’ der Techniker, Ingenieure und Naturwissenschaftler neben der Kultur der literarischen Intelligenz, der Kritiker und Geisteswissenschaftler eine herausgehobene Rolle – nicht zuletzt auch deshalb, weil das neu entstandene Medium auf den wachsenden Anspruch einer sich wandelnden Öffentlichkeit im Prozess der massenhaften Alphabetisierung reagiert, das explosionsartig wachsende und sich ausdifferenzierende Technikwissen wieder breitenwirksam zu entspezialisieren und so dem alltäglichen Leben verfügbar zu machen. Das Teilprojekt 8 in dieser zweiten Laufzeit Serielles Erzählen in populären deutschsprachigen Periodika zwischen 1850 und 1890 (http://www.popularseriality.de/projekte/aktuelle_projekte/serielles-erzaehlen-in-populaeren-deutschsprachigen-periodika-zwischen-1850-und-1891/index.html) hat zum 1. Oktober 2013 seine Arbeit aufgenommen.

 

Beteiligte

Institut für Germanistik: Literatur, Sprache, Medien; Prof. Dr. Stefan Scherer

 

Ansprechpartner: Prof. Dr. Stefan Scherer

Laufzeit: 2010-2016